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Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1944/45

Für den größten Teil der ostpreußischen Bevölkerung schien der Zweite Weltkrieg bis zum Sommer 1944 noch weit entfernt. Im Gegensatz zu den vom Luftkrieg heimgesuchten westlich gelegeneren Städten und Gebieten wirkte die östlichste Provinz des Deutschen Reiches bis zu diesem Zeitpunkt wie eine „Oase der Ruhe“ am Rande des Kriegsgeschehens. Mit dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg rückte Ostpreußen erstmalig in das Zentrum kriegsbedeutender Ereignisse. Einen Monat später wurde Ostpreußen dann auch zum Kriegsschauplatz: Ende August wurden große Teile von Königsberg durch nächtliche Luftangriffe der britischen Royal Air Force zerstört. Mit kurzen Unterbrechungen blieb Ostpreußen bis zum Kriegsende ein Brennpunkt im sogenannten „Endkampf“ der deutschen Wehrmacht an der Ostfront – mit verheerenden Folgen für die kämpfenden Truppen und insbesondere für die Zivilbevölkerung.

Nachdem Einheiten der sowjetischen Roten Armee bereits im Oktober 1944 tief auf ostpreußisches Gebiet vorgedrungen waren und von der Wehrmacht zunächst wieder zurückgeworfen werden konnten, verließ Hitler am 20. November die „Wolfsschanze“ endgültig. Einen Monat später, am Heiligabend 1944, ignorierte der „Führer“ die Warnungen seiner militärischen Berater vor einer unmittelbar bevorstehenden Großoffensive der Roten Armee mit den Worten „Das ist der größte Bluff seit Dschingis Khan! […] Ich bin fest überzeugt, daß im Osten nichts passiert.“ Wie so oft, irrte Hitler auch hier – am 13. Januar 1945 begannen 1,6 Millionen gut bewaffnete sowjetische Soldaten ihren Sturm auf Ostpreußen.

Von dem nun folgenden Elend, das die ostpreußische Bevölkerung während und nach der Flucht und Vertreibung erleiden musste, wollten die meisten Deutschen nach dem verlorenen Krieg zunächst nicht mehr viel wissen. Seit den 1960er Jahren, in der Zeit des Kalten Krieges und des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders, verblasste die Erinnerung an das nun historische Ostdeutschland mehr und mehr. Vertriebene galten pauschal als Revanchisten und unter den deutschen Intellektuellen in der Bundesrepublik und auch in der DDR war es verpönt, sich mit der Flucht und Vertreibung der Deutschen auseinanderzusetzen.

Mehr über den Zusammenhang zwischen totalitärer Kriegspropaganda und menschlichen Tragödien am Beispiel der Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen aus Ostpreußen im Winter 1944/45 können Sie in dem  folgenden Aufsatz lesen:

Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1944/45 – Totalitäre Kriegspropaganda und menschliche Tragödien

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„Ich will heute wieder ein Prophet sein“

Hitler „prophezeite“ am 30. Januar 1939 vor dem versammelten Reichstag, dass ein möglicher Weltkrieg „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ zur Folge hätte. Diese „Prophezeiung“ ließ Hitler fortan nicht mehr los. In den folgenden Jahren, in denen die „Endlösung der Judenfrage“ vorangetrieben wurde, kam er sowohl im öffentlichen, als auch im halbprivaten Rahmen viele Male auf seine „prophetische“ Äußerung vom Januar 1939 zurück.

Es stellt sich die Frage, in welchem Maße diese „Prophezeiung“ und die damit zusammenhängende Intention Hitlers zur „kumulativen Radikalisierung“ der von den Nationalsozialisten angestrebten Lösung der Judenfrage beigetragen hat.

Bundesarchiv, Bild 183-2005-0623-500 / CC-BY-SA
Berlin, Reichstagssitzung 30.1.1939, Rede Adolf Hitler
Bundesarchiv, Bild 183-2005-0623-500 / CC-BY-SA

 

Welche Wirkmächtigkeit hatten Hitlers (sich selbst erfüllende?) „Prophezeiungen“ im Hinblick auf den Holocaust:
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„Ich will heute wieder ein Prophet sein“ – Hitlers wiederholte Vernichtungsankündigungen zwischen 1939 und 1942 als mentale Vorbereitung zum Holocaust

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Umwandererzentralstelle des Reichssicherheitshauptamtes

Aussiedlung von Polen im Wartheland, 1939 - Bundesarchiv, R 49 Bild-0131 / CC-BY-SANach dem militärischen Sieg über Polen am 6. Oktober 1939 wurden die westlichen Gebiete Polens dem Deutschen Reich angegliedert. Die hier beheima­teten Polen wurden teilweise so­fort in Richtung Osten vertrieben, die polnische Führungsschicht wurde in Konzentrationsla­ger verbracht oder gleich ermordet.

Die zurückbleibende einheimische Bevölkerung war weitestgehend rechtlos der Willkür deutscher Behörden ausgesetzt. Deutsch wurde die ein­zige Amtsspra­che, alle polnischen Orts- und Straßennamen wurden durch deutsche Namen ersetzt. In den angegliederten Gebieten wurden polnische Schulen, Theater, Museen, öffentliche Bibliothe­ken, Buch- und Zeitungshandlungen und alle anderen kulturellen Einrichtungen geschlossen und der Gebrauch der polnischen Sprache verboten.

Die neu gegründeten Reichsgaue wurden als „Exerzierplatz für den Nationalsozialismus“ angesehen und es sollte auf der Grundlage der rassisti­schen  NS-Ideologie  eine deutsche und nationalsozialistische Mustergesellschaft entste­hen. Um dieses Ziel zu erreichen, war es aus Sicht der Planer notwendig, deutsche Minderheiten aus Osteuropa, die soge­nannten „Volks­deutschen“, in den neuen Reichsgebieten anzusiedeln.  Die Assimilierung der polnischen Be­völkerung war grundsätzlich nicht erwünscht, denn die Polen galten in der NS-Ideologie als rassisch minderwertig und sollten lediglich als billiges Arbeitskräftereservoir ausgebeutet werden.

Den Rahmen dieser brutalen Besatzungspolitik steckte der „Führer“ und Reichskanzler Adolf Hitler am 17. Oktober 1939 vor Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht und der Reichsministe­rien ab:  Es müsse ein „harter Volkstumskampf“ geführt werden, der „keine gesetzlichen Bindungen“ gestatte. Restpolen, das sogenannte Generalgouvernement, solle es ermöglichen „das alte und neue Reichsgebiet zu säubern von Juden, Polacken und Gesindel“, so der deutsche Reichskanzler.

Diese in den Augen der NS-Führung notwendige „rassische Flurbereinigung“ wurde unter der Federführung des am 7. Oktober 1939 zum Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums ernannten Reichsführers SS Heinrich Himmler geplant und organisiert. Himmler sah die Weiten des Ostens als Aufnahmegebiet eines stetigen Stroms junger, arischer Menschen an. Sie sollten als Bauernfamilien das „deutsche Wesen“ und die „deutsche Effektivität“ immer weiter nach Osten tragen. Die nationalsozialistische Planung sah von West nach Ost einen deutschen, einen polnischen und einen jüdischen Siedlungsgür­tel im deutsch besetzten Teil Polens vor.

Um Platz für die Volksdeutschen zu schaffen, ordnete Himmler am 30. Oktober 1939 an, dass in den folgenden vier Monaten alle 550.000 Juden und „eine noch vorzuschlagende An­zahl besonders feindlicher polnischer Bevölke­rung“ aus den an­nektierten polnischen Westge­bieten abgeschoben werden sollten. Insgesamt rechnete Himmler hier mit einer Anzahl von mehr als einer Million umzusiedelnder Men­schen.

Im folgenden Aufsatz wird die Rolle und Bedeutung der Umwandererzentralstelle für die seit September 1939 rasch einsetztende Eskalation von einer Umsiedlungs- und Vertreibungspolitik zur Vernichtungspolitik der NS-Herrscher im deutsch besetzten Polen näher beleuchtet.

Die Umwandererzentralstelle des Reichssicherheitshauptamtes

 

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Okkupation – Segregation – Konzentration – Deportation

Der Weg der westeuropäischen Juden in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager

CC Olve Utne „Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa vom Westen nach Osten durchkämmt.“ Um dieses monströse Vorhaben, das während der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 in Berlin beschlossen und protokolliert wurde, umsetzen zu können, mussten auch in den besetzen Gebieten Westeuropas zunächst die organisatorischen und logistischen Voraussetzungen für die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ geschaffen werden. Nach der Lektüre des ihm zugesandten Protokolls der Wannsee-Konferenz schrieb Propagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch: „Die Judenfrage muß jetzt im gesamteuropäischen Rahmen gelöst werden.“ Nach einem Treffen mit Hitler machte Goebbels für den 20. März 1942 folgenden Eintrag: „Wir sprechen zum Schluß noch über die Judenfrage. Hier bleibt der Führer nach wie vor unerbittlich. Die Juden müssen aus Europa heraus, wenn nötig unter Anwendung der brutalsten Mittel.“ Eine Woche später vermerkte Goebbels in seinem Tagebuch, es werde „ein barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig.“ Für den 30. Mai 1942 notierte Goebbels, dass es das Ziel des Führers sei, „Westeuropa gänzlich judenfrei zu machen.“ An diesen Aufzeichnungen von Goebbels wird deutlich, wie sich das Gedankengut der NS-Führung bezüglich der „Endlösung“ der Judenfrage spätestens nach der Wannsee-Konferenz zunehmend radikalisiert hat und vor der Anwendung von „brutalsten Mitteln“ und „barbarischen Verfahren“ auch für die Juden aus dem besetzten Westeuropa nicht mehr zurückgeschreckt wurde.

Die deutsche Besetzung Westeuropas und die dort rasch einsetzende Judenverfolgung bis hin zur Deportation und Ermordung der westeuropäischen jüdischen Bevölkerung wirft viele Fragen auf: Wie haben die deutschen Besatzer die jüdische Bevölkerung in Westeuropa überhaupt identifiziert? Warum konnten in relativ kurzer Zeit so viele westeuropäische Juden verhaftet und in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt werden? Warum konnten die antijüdischen Maßnahmen und Gesetze in Ländern mit liberaler und demokratischer Tradition so schnell umgesetzt werden? Wer hat die notwendigen organisatorischen und logistischen Maßnahmen für die Deportationen geplant und durchgeführt?

Eine Anwort auf diese Fragen versucht der folgende Aufsatz zu geben, den Sie hier herunterladen können:

Okkupation – Segregation – Konzentration – Deportation
Der Weg der westeuropäischen Juden in die nationalsozialistischen
Konzentrations- und Vernichtungslager

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Raul Hilberg: Etappen und Prozesse auf dem Weg zur „Endlösung“

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist ein brillianter und bewegender Vortrag des renommierten Historikers Raul Hilberg († 2007) über die Etappen und Prozesse auf dem Weg zur  Vernichtung der europäischen Juden zu sehen. Hilberg zieht in seinen Ausführungen eine Bilanz der Holocaustforschung und blickt zurück auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit. Den Vortrag hielt Raul Hilberg acht Monate vor seinem Tod im Rahmen der internationalen Konferenz „Der Holocaust im transnationalen Gedächtnis“ der Bundeszentrale für politische Bildung und des Zentrums für Antisemitismusforschung am 11.12.2006 in Berlin.

Das Video des Vortrags von Raul Hilberg ist auf der Website der bpb zu sehen: https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39629/video-interview-raul-hilberg