Im Zeichen des Kreuzes und in Gottes Namen

„Du sollst nicht töten“ – dieses fünfte Gebot wurde von den Ordensbrüdern und Kreuzfahrern des Deutschen Ordens im Kampf gegen nichtchristliche Völker andauernd übertreten. Wenn den Ordenskriegern trotzdem an der Erlangung ihres Seelenheils gelegen war (wovon man ausgehen kann), so bedurften sie einer theologisch fundierten Rechtfertigung für ihre gebotswidrige Handlungsweise. Es stellt sich die Frage, wie diese permanente Verletzung des Tötungsverbotes im Dekalog zur Zeit der Ordensherrschaft in Ostmitteleuropa gerechtfertigt wurde. Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, soll nun die Ältere Hochmeisterchronik – eine bisher relativ wenig beachtete historiographische Quelle des Deutschen Ordens – untersucht werden. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich dabei auf den Zeitraum vom Beginn der Feldzüge des Deutschen Ordens gegen die heidnischen Litauer im Jahr 1283 bis zur verlorenen Schlacht der Ordenstruppen gegen das polnisch-litauische Heer bei Tannenberg im Jahr 1410. Diese langanhaltenden Kämpfe wurden von dem Mediävisten Werner Paravicini als „ein anderer Hundertjähriger Krieg“ bezeichnet.

Mehr über das Spannungsfeld zwischen Christentum und Krieg am Beispiel der Älteren Hochmeisterchronik können Sie hier lesen:

Im Zeichen des Kreuzes und in Gottes Namen – Christentum und Krieg am Beispiel der Älteren Hochmeisterchronik
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Kochkunst im Spätmittelalter

Wer ein guot muos wil haben
Ein Essay von Peter Rose

„Speisen wie im Mittelalter“ – zahlreiche gastronomische Angebote versprechen den Menschen des 21. Jahrhunderts einen authentischen Eindruck der „Gaumenfreuden“ mittelalterlicher Küche zu vermitteln. Es stellt sich die Frage, ob diese nachgestellte historische Erlebnisgastronomie die Lebenswirklichkeit der Ernährung des Mittelalters auch nur annähernd widerspiegelt oder ob es lediglich eine idealisierte Fiktion von ritterlichen Festgesellschaften ist, die an opulenten Tafeln mit „Wein, Weib und Gesang“ schlemmen.

An Hand der überlieferten deutschsprachigen Kochbuchliteratur aus dem späten Mittelalter lassen sich einige spezifische Eigenheiten der Speisenzubereitung vor mehr als 500 Jahren näher beleuchten. Beim Studium der überlieferten Kochbücher sind die verschiedenen Intentionen der mittelalterlichen Küche zu erkennen und auch Bezüge zu heutigen Essgewohnheiten scheinen oftmals auf der Hand zu liegen. Bevor der Blick auf die Rezepte der mittelalterlichen Kochbücher gerichtet werden soll, um schließlich einige mögliche Verbindungen zu heutigen Essgewohnheiten aufzuzeigen, folgt zunächst ein grober Umriss der gesellschaftlichen Strukturen des Spätmittelalters im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelversorgung weiter Teile der mittelalterlichen Bevölkerung im christlichen Abendland. Kochkunst im Spätmittelalter weiterlesen

Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1944/45

Für den größten Teil der ostpreußischen Bevölkerung schien der Zweite Weltkrieg bis zum Sommer 1944 noch weit entfernt. Im Gegensatz zu den vom Luftkrieg heimgesuchten westlich gelegeneren Städten und Gebieten wirkte die östlichste Provinz des Deutschen Reiches bis zu diesem Zeitpunkt wie eine „Oase der Ruhe“ am Rande des Kriegsgeschehens. Mit dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg rückte Ostpreußen erstmalig in das Zentrum kriegsbedeutender Ereignisse. Einen Monat später wurde Ostpreußen dann auch zum Kriegsschauplatz: Ende August wurden große Teile von Königsberg durch nächtliche Luftangriffe der britischen Royal Air Force zerstört. Mit kurzen Unterbrechungen blieb Ostpreußen bis zum Kriegsende ein Brennpunkt im sogenannten „Endkampf“ der deutschen Wehrmacht an der Ostfront – mit verheerenden Folgen für die kämpfenden Truppen und insbesondere für die Zivilbevölkerung.

Nachdem Einheiten der sowjetischen Roten Armee bereits im Oktober 1944 tief auf ostpreußisches Gebiet vorgedrungen waren und von der Wehrmacht zunächst wieder zurückgeworfen werden konnten, verließ Hitler am 20. November die „Wolfsschanze“ endgültig. Einen Monat später, am Heiligabend 1944, ignorierte der „Führer“ die Warnungen seiner militärischen Berater vor einer unmittelbar bevorstehenden Großoffensive der Roten Armee mit den Worten „Das ist der größte Bluff seit Dschingis Khan! […] Ich bin fest überzeugt, daß im Osten nichts passiert.“ Wie so oft, irrte Hitler auch hier – am 13. Januar 1945 begannen 1,6 Millionen gut bewaffnete sowjetische Soldaten ihren Sturm auf Ostpreußen.

Von dem nun folgenden Elend, das die ostpreußische Bevölkerung während und nach der Flucht und Vertreibung erleiden musste, wollten die meisten Deutschen nach dem verlorenen Krieg zunächst nicht mehr viel wissen. Seit den 1960er Jahren, in der Zeit des Kalten Krieges und des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders, verblasste die Erinnerung an das nun historische Ostdeutschland mehr und mehr. Vertriebene galten pauschal als Revanchisten und unter den deutschen Intellektuellen in der Bundesrepublik und auch in der DDR war es verpönt, sich mit der Flucht und Vertreibung der Deutschen auseinanderzusetzen.

Mehr über den Zusammenhang zwischen totalitärer Kriegspropaganda und menschlichen Tragödien am Beispiel der Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen aus Ostpreußen im Winter 1944/45 können Sie in dem  folgenden Aufsatz lesen:

Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1944/45 – Totalitäre Kriegspropaganda und menschliche Tragödien

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„Ich will heute wieder ein Prophet sein“

Hitler „prophezeite“ am 30. Januar 1939 vor dem versammelten Reichstag, dass ein möglicher Weltkrieg „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ zur Folge hätte. Diese „Prophezeiung“ ließ Hitler fortan nicht mehr los. In den folgenden Jahren, in denen die „Endlösung der Judenfrage“ vorangetrieben wurde, kam er sowohl im öffentlichen, als auch im halbprivaten Rahmen viele Male auf seine „prophetische“ Äußerung vom Januar 1939 zurück.

Es stellt sich die Frage, in welchem Maße diese „Prophezeiung“ und die damit zusammenhängende Intention Hitlers zur „kumulativen Radikalisierung“ der von den Nationalsozialisten angestrebten Lösung der Judenfrage beigetragen hat.

Bundesarchiv, Bild 183-2005-0623-500 / CC-BY-SA
Berlin, Reichstagssitzung 30.1.1939, Rede Adolf Hitler
Bundesarchiv, Bild 183-2005-0623-500 / CC-BY-SA

 

Welche Wirkmächtigkeit hatten Hitlers (sich selbst erfüllende?) „Prophezeiungen“ im Hinblick auf den Holocaust:
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„Ich will heute wieder ein Prophet sein“ – Hitlers wiederholte Vernichtungsankündigungen zwischen 1939 und 1942 als mentale Vorbereitung zum Holocaust

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In memoriam Helmut Schmidt: „Erwarte Vollzugsmeldung“

„Die Hansestadt Hamburg war führerlos und unfähig, einen Führer zu berufen, als die Sturmflut über sie kam. Der Führer berief sich selbst.“ Mit dieser journalistischen Zuspitzung leitete Der Spiegel knapp siebzehn Jahre nach dem Ende des deutschen Führerstaates und knapp drei Wochen nach der Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 einen Bericht unter dem Titel „Herr der Flut“ ein. In dem umfangreichen Artikel wird die Leitung des bisher größten Katastropheneinsatzes in der noch jungen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland durch den damaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt ausführlich geschildert: Der damals 43-jährige Schmidt zeigte sich als Krisenmanager während der Sturmflutkatastrophe in Hamburg „forsch, frech und furchtlos“ – er „ergriff die Macht“ und schickte etwa 25.000 Helfer in den Hilfseinsatz, von denen ein großer Teil Soldaten der Bundeswehr und der Bündnispartner waren. Die „selbstgezimmerte Befehlshaberstellung“ über diese Truppen kommentierte Helmut Schmidt damals so: „Sie sind mir nicht unterstellt worden, ich habe sie mir genommen.“ Niemand scheint Schmidts Autorität damals ernsthaft in Frage gestellt zu haben, obwohl er seine Kompetenzen und die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig überschritten hat.

Sturmflut in Hamburg, Februar 1962

Den gesamten Text zum Krisenmanagment des damaligen Senators Helmut Schmidt während der Sturmflut 1962 in Hamburg können Sie hier herunterladen:
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„Erwarte Vollzugsmeldung“ – Das Krisenmanagement Helmut Schmidts während der Sturmflut 1962 in der Selbst- und Fremdwahrnehmung
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Filme auf youtube zum Thema Helmut Schmidt und die Sturmflut 1962

Zum Tode von Hans-Ulrich Wehler: Ein Historikermärchen

Lip Kee

Es waren einmal zwei Historiker, die sich mit der Geschichte des Deutschen Kaiserreichs befassten. Als sie an ihrem umfangreichen Werk saßen, erschien beiden die Historikerfee Klio. Die gute Fee gewährte den fleißigen Wissenschaftlern je einen Wunsch. Der eine Historiker wünschte sich einem Adler gleich über das Deutsche Reich zu fliegen. Er wollte sich die gesellschaftlichen Strukturen des Kaiserreichs von hoch oben aus der Vogelperspektive anschauen. Der andere Historiker hingegen wollte in eine Fliege verwandelt werden, die durch Schlüssellöcher in die verschlossenen Kammern am kaiserlichen Hofe gelangen konnte, um den Gesprächen des Kaisers und seiner Entourage zu lauschen.

JJ Harrison

Nachdem nun ihre Wünsche in Erfüllung gegangen waren und jeder seine Beobachtungen gemacht hatte, stellten beide Historiker mit großem Erstaunen fest, dass sie jeweils etwas völlig Unterschiedliches gesehen hatten: Der eine sah aus seiner abgehobenen Perspektive ein Kaiserreich ohne Kaiser, der andere sah innerhalb der herrschaftlichen Räume nur den Kaiser und seine Hofgesellschaft, aber die übrigen Menschen und die vielschichtige Gesellschaft des Kaiserreichs übersah er dabei. Sie glaubten einander nicht und begannen sich um die historische Wahrheit zu streiten. Beide Historiker suchten und fanden zahlreiche Mitstreiter unter ihren Kollegen, die sich auch gerne an dem Streit beteiligten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann…

Der streitbare Historiker Hans-Ulrich Wehler ist am 5. Juli 2014 im Alter von 82 Jahren gestorben – seine kritischen Beiträge werden fehlen,  sein großes Werk aber wird bleiben. 

Hier einige Gedanken zu zwei unterschiedlichen historischen Sichtweisen. Wehler bevorzugte zumeist den Blick auf das große Ganze aus der Vogelperspektive:

Die unterschiedlichen Bewertungen Wilhelms II.
von John C.G. Röhl und Hans-Ulrich Wehler

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Das Prekariat – ein neues Proletariat?

Ein Essay von Peter Rose

Rückkehr der sozialen Frage
„Gerade in der jetzigen Zeit tobt der Kampf um die Existenz mit furchtbarer Heftig­keit.“[1] Dieser Satz stammt aus dem Jahre 1913 und war damals im Vorwärts, der Parteizeitung der SPD, zu lesen. Fast 100 Jahre später berichtet die gleiche Zeitung im Februar 2010 über die immer größer werdende Not in Deutschland[2] und stellt auf der Titelseite die Frage: „Wer rettet den sozialen Staat?“. Demnach scheint das State­ment zum Existenzkampf aus den 1910er Jahren in gewisser Weise auch heute noch zuzutreffen. Haben also die gesellschaftli­chen Verhältnisse und Probleme von 1913 mit denen der Gegenwart etwas gemeinsam – und: wie viel politi­sche Sprengkraft steckt in einer Zuspitzung der sozialen Lage? Das Prekariat – ein neues Proletariat? weiterlesen

Ars moriendi – Die Kunst des Sterbens

Ein Essay von Peter Rose

Die Gewissheit des Todes
Memento mori – Gedenke, dass du sterblich bist. Dieser kirchlichen Mahnung, die den mittelalterlichen Menschen zu einem gottgefälligen Leben motivieren sollte, bedurften die in der Krisenzeit des späten Mittelalters Lebenden kaum mehr: Seit dem 14. Jahrhundert gab es eine Häufung von Naturkatastrophen mit Hungersnöten und sich ausbreitenden Seuchen, wie der Pest, die eine extrem hohe Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung verursachten. Der „Schwarze Tod“ machte das Sterben zu einem ganz alltäglichen Ereignis: „Da sieht jeder, wie heute dieser, morgen jener Nachbar von der furchtbaren Krankheit ergriffen wird.“[ref]Rudolf, Rainer: Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens. Köln / Graz 1957, S. 9.[/ref] Jeder Mensch war sich damals bewusst, dass es auch ihn jederzeit dahin raffen konnte, „Tod und Verfall [rückten] den Menschen in vorher nicht gekannter Weise buchstäblich auf den Leib.“[ref]Reudenbach, Bruno: Tod und Vergänglichkeit in Bildern des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. In: Dülmen, Richard van: Erfindung des Menschen. Schöpfungsräume und Körperbilder 1500-2000, S. 73.[/ref] Ars moriendi – Die Kunst des Sterbens weiterlesen

Gottesgnadentum und weltlicher Machtanspruch

Heinrich sei „aus vielerlei Gründen ungeeignet“ für die Königswürde gewesen. Dieser Auffassung waren die meisten Fürsten des Reiches während der feierlichen Bestattung des im Jahre 1002 frühzeitig verstorbenen, kinderlosen Kaisers Otto III.

Trotz der überwiegenden Ablehnung aus Kreisen der Reichsfürsten ist es dem bayerischen Herzog Heinrich IV. einige Monate später dennoch gelungen als Heinrich II. den Königsthron zu besteigen. König Heinrich II. wurde 1014 in Rom auch zum Kaiser gekrönt. Im Jahre 1024, nach 22 Jahren Königs- und Kaiserherrschaft, starb der letzte Herrscher aus der Dynastie der Ottonen.

Wie Heinrich II. sich trotz des anfänglichen Widerstandes vieler Fürsten des Reiches gegen seine Mitbewerber durchsetzen und behaupten konnte, wird in der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg ausführlich beschrieben. Auch die beiden Herrscherbilder Heinrichs II. in dem von ihm gestifteten Sakramentar  können uns einigen Aufschluss über den Herrschaftsanspruch und die Herrschaftslegitimation aus der Sichtweise Heinrichs und seiner Anhänger geben. Die Bilder enthalten verschiedene sakrale und weltliche Bedeutungsebenen aus denen der Herrschaftsanspruch Heinrichs hergeleitet werden kann.

In dem folgenden Aufsatz werden die Herrscherbilder Heinrichs II. aus dem Regensburger Sakramentar beschrieben und deren verschiedene Bedeutungsebenen betrachtet. Ein eigenes Kapitel widmet sich der Bedeutung der Heiligen Lanze bei der Inthronisierung Heinrichs II. im Jahre 1002:

Gottesgnadentum und weltlicher Machtanspruch Heinrichs II.

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Umwandererzentralstelle des Reichssicherheitshauptamtes

Aussiedlung von Polen im Wartheland, 1939 - Bundesarchiv, R 49 Bild-0131 / CC-BY-SANach dem militärischen Sieg über Polen am 6. Oktober 1939 wurden die westlichen Gebiete Polens dem Deutschen Reich angegliedert. Die hier beheima­teten Polen wurden teilweise so­fort in Richtung Osten vertrieben, die polnische Führungsschicht wurde in Konzentrationsla­ger verbracht oder gleich ermordet.

Die zurückbleibende einheimische Bevölkerung war weitestgehend rechtlos der Willkür deutscher Behörden ausgesetzt. Deutsch wurde die ein­zige Amtsspra­che, alle polnischen Orts- und Straßennamen wurden durch deutsche Namen ersetzt. In den angegliederten Gebieten wurden polnische Schulen, Theater, Museen, öffentliche Bibliothe­ken, Buch- und Zeitungshandlungen und alle anderen kulturellen Einrichtungen geschlossen und der Gebrauch der polnischen Sprache verboten.

Die neu gegründeten Reichsgaue wurden als „Exerzierplatz für den Nationalsozialismus“ angesehen und es sollte auf der Grundlage der rassisti­schen  NS-Ideologie  eine deutsche und nationalsozialistische Mustergesellschaft entste­hen. Um dieses Ziel zu erreichen, war es aus Sicht der Planer notwendig, deutsche Minderheiten aus Osteuropa, die soge­nannten „Volks­deutschen“, in den neuen Reichsgebieten anzusiedeln.  Die Assimilierung der polnischen Be­völkerung war grundsätzlich nicht erwünscht, denn die Polen galten in der NS-Ideologie als rassisch minderwertig und sollten lediglich als billiges Arbeitskräftereservoir ausgebeutet werden.

Den Rahmen dieser brutalen Besatzungspolitik steckte der „Führer“ und Reichskanzler Adolf Hitler am 17. Oktober 1939 vor Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht und der Reichsministe­rien ab:  Es müsse ein „harter Volkstumskampf“ geführt werden, der „keine gesetzlichen Bindungen“ gestatte. Restpolen, das sogenannte Generalgouvernement, solle es ermöglichen „das alte und neue Reichsgebiet zu säubern von Juden, Polacken und Gesindel“, so der deutsche Reichskanzler.

Diese in den Augen der NS-Führung notwendige „rassische Flurbereinigung“ wurde unter der Federführung des am 7. Oktober 1939 zum Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums ernannten Reichsführers SS Heinrich Himmler geplant und organisiert. Himmler sah die Weiten des Ostens als Aufnahmegebiet eines stetigen Stroms junger, arischer Menschen an. Sie sollten als Bauernfamilien das „deutsche Wesen“ und die „deutsche Effektivität“ immer weiter nach Osten tragen. Die nationalsozialistische Planung sah von West nach Ost einen deutschen, einen polnischen und einen jüdischen Siedlungsgür­tel im deutsch besetzten Teil Polens vor.

Um Platz für die Volksdeutschen zu schaffen, ordnete Himmler am 30. Oktober 1939 an, dass in den folgenden vier Monaten alle 550.000 Juden und „eine noch vorzuschlagende An­zahl besonders feindlicher polnischer Bevölke­rung“ aus den an­nektierten polnischen Westge­bieten abgeschoben werden sollten. Insgesamt rechnete Himmler hier mit einer Anzahl von mehr als einer Million umzusiedelnder Men­schen.

Im folgenden Aufsatz wird die Rolle und Bedeutung der Umwandererzentralstelle für die seit September 1939 rasch einsetztende Eskalation von einer Umsiedlungs- und Vertreibungspolitik zur Vernichtungspolitik der NS-Herrscher im deutsch besetzten Polen näher beleuchtet.

Die Umwandererzentralstelle des Reichssicherheitshauptamtes

 

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